Dr. Jan Bodo Sperling feiert seinen 90. Geburtstag
Mit einer großen Party feierte Dr. Jan Bodo Sperling seinen 90. Geburtstag. Dabei waren seine Familie, viele Freunde und Wegbegleiter. Er bedankte sich in seiner Rede bei den Schlechingern für die gute Aufnahme und Akzeptanz vor und seit 45 Jahren mit einer Rückschau über die Höhepunkte, die ihm besonders im Gedächtnis und im Herzen geblieben sind.
Dabei profitiert besonders der Ort Schleching von seinen vielfältigen Erfahrungen, die er durch seine berufliche Laufbahn erwerben konnte.
Der Lebensweg
Geboren wurde Dr. Jan Bodo Sperling 1928 in Braunschweig, schon mit dreizehn Jahren verlor er den Vater, der in Russland gefallen war. 1943 musste er mit seiner Mutter und seiner Schwester die Erfahrung der totalen Ausbombung, 1944 als Luftwaffenhelfer den Tod von zwei Klassenkameraden direkt neben ihm und 1945 vier Monate Gefängnis und Internierungslager verkraften.
Nach dem Abitur begann Dr. Sperling eine Zimmerer-Lehre, zur gleichen Zeit eine Qualifikation zum Dolmetscher der englischen Sprache, danach einen Lehrgang zum Sägewerker und danach eine Ausbildung zum Industriekaufmann. In allen Berufen konnte er einen Abschluss erwerben, bevor er sich zum volkswirtschaftlichen Studium an den Universitäten Göttingen und Marburg entschloss und es hier zum Diplomvolkswirt brachte. Ein ungewöhnlicher Werdegang, der ihn jedoch für seine nächste –auch sehr ungewöhnliche- Position prädestinierte.
Der Weg nach Indien
Durch Zufall stieß Dr. Sperling auf eine Anzeige „Assistent gesucht für Großbaustelle“. Bei dieser Baustelle handelte es sich um den Aufbau eines Hüttenwerksprojektes im indischen Urwald, bei dem die 46 größten Firmen Deutschlands (Krupp, Siemens etc.) beteiligt waren und bis zu 4.000 Monteure und Ingenieure zum Teil mit ihren Familien in Zentralindien im Ort Rourkela beschäftigt wurden. Um Problemen sozialer Art vorzubeugen, sollte eine Sozial-Organisation aufgebaut werden, für die man einen Mitarbeiter suchte, der ein sozial-wissenschaftliches Studium abgeschlossen hat, ein Handwerk gelernt hat und fließend Englisch sprechen kann. Dr. Sperling war der einzige Bewerber, der diese Anforderungen erfüllen konnte. Vor Ort in Indien, wurde er schnell vom Assistenten zum Leiter und baute ein Krankenhaus, stellte Ärzte und Lehrer für 57 deutsche Kinder ein, einen katholischen und evangelischen Pfarrer und eröffnete ein Restaurant für die Monteure. Zu den wichtigsten Erfahrungen in diesen vier Jahren in Indien gehörte es Lösungen zu finden, um eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen sozialen und kulturellen Unterschieden der Menschen zu ermöglichen. Es waren genau diese Erfahrungen, die Dr. Sperling viele Jahre später dazu gebracht haben, die deutsche Dependance einer britischen Unternehmensberatung zu gründen.
Mit dem in Indien erworbenen Erfahrungsschatz war Dr. Sperling interessant für die Industrie und es gab lukrative Jobangebote, die er aber alle ausschlug, um Psychologie und Soziologie zu studieren. 1965 promovierte er zum Doktor der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Danach ging er für ein Jahr nach Cambridge an die Harvard-Universität für ein Projekt unter Leitung von Professor Henry Kissinger. In dieser Zeit übersetzte Dr. Jan Bodo Sperling sein Buch „Die Rourkela-Deutschen“ in die englische Sprache. Aufgrund dieses englischen Buches meldete sich die UNO bei ihm, da sie fanden, dass genau die Erfahrungen für alle UNO-Organisationen der Welt hilfreich wären. Sechs Jahre arbeitete Dr. Sperling in 54 Ländern in UNO-Projekten! 1972 hat er dann bei der UNO in Turin ein College aufgebaut mit 300 Lehrkräften in acht Sprachen für Fortbildungsprogramme der UNO-Mitarbeiter für Themen wie Management, Train-the-Trainer, Organisation von Kooperativen, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Zeitgleich hatte Dr. Sperling in Schleching im März 1972 ein Grundstück für ein Ferienhaus gekauft.
1979 spitzte sich die Situation in Turin für Dr. Sperling und seine Familie dramatisch zu. Die dortige Polizei fand bei den Roten Brigaden (vergleichbar mit der RAF in Deutschland) eine Liste mit seinem und den Namen seiner Familienmitglieder für potentielle Kidnapping Opfer. Dr. Sperling bekleidete das höchste Amt der UNO in Norditalien und war dadurch Garant für Aufsehen und Publicity. Mit diesem Risiko konnte und wollte die Familie nicht leben, Dr. Sperling kündigte und „tauchte unter“ in seinem Ferienhaus in Schleching. 1980 wurde das Ferienhaus ausgebaut und ein Neuanfang in seiner heutigen Heimatgemeinde begonnen.
Mit inzwischen 52 Jahren gründete Dr. Sperling nun seine Firma „Coverdale Team Management Deutschland GmbH“, Industrie- und Unternehmensberatung. Hier schied er nach sechzehn erfolgreichen Jahren 1996 aus Altersgründen als Geschäftsführer aus. Mit zunehmender Entlastung von der Arbeit für Coverdale wuchs sein ehrenamtliches Engagement, zunächst als Kirchenvorsteher der Gemeinde bei der Evangelischen Kirche. Er übernahm Workshops und Seminare in der Evangelischen Gemeinde und im Dekanat.
Gründung des Kultur-Fördervereins
Die bei weitem umfangsreichste Herausforderung kam 1997 mit der Gründung des Schlechinger Kultur-Fördervereins, wo Dr. Sperling zehn Jahre lang in der Vorstandschaft arbeitete. Es galt die kleine Musikschule Cantica auf sichere finanzielle Füße zu stellen, wozu die Anerkennung vom Verband Bayerischer Musikschulen nötig war, um die finanzielle Bezuschussung vom Staat und vom Landkreis zu erhalten. Mit der Werbung von Mitgliedern, hochwertigen Konzerten in der historischen Streichenkirche, für die Dr. Sperling unermüdlich Sponsoren fand, Kunstausstellungen und Kulturfahrten wurde die Basis für den Verein geschaffen. Im Jahr 2007 –inzwischen 79 Jahre alt- gab Dr. Sperling den Vorsitz ab und unterstützte den Verein weiter als Ehrenvorsitzender.
Eine Ausstellung ist wohl allen Schlechingern noch gut in Erinnerung : „Schlechinger Geschichten“, wo im Jahr 2006 auf den Speichern über 2.000 frühe Fotos aus den Schuhschachteln fast aller Schlechinger Familien gesammelt, sortiert und als Ausstellung hergerichtet wurden.
Gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Fritz Irlacher war Dr. Sperling mit vielfältigen Aktionen als Pionier bei dem heutigen „Ökomodell Achental“ dabei. Inzwischen sind neun Achental-Gemeinden angeschlossen, das Projekt hat Vorbildfunktion und genießt internationale Aufmerksamkeit.
Es folgten vielfältige Aktionen, die auf die Initiative von Dr. Sperling begannen, vom Englisch-Unterricht für Schlechinger Bauersfrauen bis zur Mitwirkung zur Verwirklichung des Schlechinger Dorfladens und jüngst das Engagement bei der Gründung des „Sozialen Netzwerkes Schleching“.
Ein Meilenstein auf seinem Lebensweg war die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes im Mai 2012. Im Rahmen einer Feierstunde würdigte der damalige Bayerische Staatsminister Martin Zeil Dr. Sperling mit den Worten „In ganz ungewöhnlicher Vielfalt und mit zahlreichen Initiativen haben Sie sich ehrenamtlicher Aufgaben zugunsten des sozialen und kulturellen Lebens, des Tourismus und der Umwelt angenommen“.
Auf seiner Geburtstagsfeier – es waren über 100 Gäste anwesend- im Gasthof Zellerwand erinnerte Dr. Sperling in seiner humorvollen Rede an die vielen Begebenheiten, Erlebnisse und Begegnungen mit den Schlechingern. Er bedankte sich bei seiner Frau Brigitte, seiner Familie und den vielen Wegbegleitern für die Unterstützung zur Integration in Schleching.
Seine Tochter Antje Ireland hielt eine sehr persönliche und emotionale Ansprache. Pfarrer Ekkehard Purrer sprach seinen Dank an Dr. Sperling im Namen der Kirche aus. Nachdem am Anfang der Feier, die Schlechinger Alphornbläser einige Stücke vortrugen, sangen die Gäste zum Abschluss ein gemeinsames Geburtstagsständchen für Dr. Jan Bodo Sperling.